Zu Fuss aus der Grossstadt an den Strand und zurück. Rio de Janeiro verbindet Badeferien und Städtereise. Wer schon daheim ins Brasilien-Feeling eintauchen will, legt am besten das Lied «Garota de Ipanema» auf, «Das Mädchen von Ipanema», im Original von Antônio Carlos Jobim von 1962.
Melodie breitet sich beruhigend prickelnd im ganzen Körper aus, wie die Luftblasen, die sich beim Schnorcheln in Richtung Sonnenstrahlen bewegen oder im Cocktailglas zwischen den Eiswürfeln ihren Weg zur Oberfläche bahnen. Einer der berühmtesten Songs des Bossa Nova, vor allem unter dem englischen Titel «The Girl Of Ipanema» bekannt geworden – eine wunderbare Interpretation stammt von Amy Winehouse – ist der beste Soundtrack zum Kofferpacken für Rio de Janeiro, eine der schönsten Strandstädte der Welt.
Laufsteg und Alternativkunst
Der Evergreenhit «Garota de Ipanema» ist auch Namensgeber für jenen Strandabschnitt, wo sich die Schönen treffen. Da wird Körperkult gelebt, denn das Mädchen von Ipanema soll schön gewesen sein. Der lange Strand hat drei weitere Abschnitte, wo sich Subkulturen treffen: Am Cemetério dos Elefantes finden sich Alt-Hippies, alternative Linke und deren Kunstszene, der Bolsa de Valores – zu Deutsch Handtasche für Wertsachen – ist Gay-Treffpunkt, am Posto 8 haben Strassenkinder ihren Platz. Im Gegensatz zum Strand von Ipanema, wo Gleichgesinnte gezielt zusammenfinden, ist die Copacabana der Strand für alle. Vor allem für alle, die es geniessen, sich in einer lebendigen Mengen Badefreudiger zu tummeln, den Surfern bis in den Sonnenuntergang zuzusehen und endlose Barfussspaziergänge zu machen. Für Besucher ist der Strand seit der Eröffnung des Hotels Copacabana Palace 1923 ein Ort von Glamour und Romantik. Für die Bewohner von Rio de Janeiro, die Cariocas, ist der Strand ganz einfach der Spielplatz der Stadt, ein offener, freier Ort, der endloses Vergnügen bietet.
Aus Verbot wird Kulturerbe
Wenn am Strand durchtrainierte Körper zu rhythmischer Musik, live und unplugged gespielt, einen Kreis bilden, lohnt es sich, stehen zu bleiben. Man wird dann Zeuge einer Roda, einem Battle zwischen Capoeira-Kampftänzern. Capoeira wurde in der brasilianischen Kolonialzeit von den afrikanischen Sklaven entwickelt. So konnten sie getarnt den Nahkampf trainieren, weil es für Uneingeweihte aussah, als handle es sich um ein Tanzritual. Die Tanzkampfkunst gehört zu den lebendigsten kulturellen Schätzen Brasiliens. Die Schulen sind offen für Schnupperlektionen oder für Neugierige, die einfach zusehen wollen.
Ebenfalls aus einem Verbot entstanden und im Sand am Meer von Rio de Janeiro zu beobachten, ist Futevolei, eine Mischung aus Volleyball und Fussball. Grundsätzlich gelten die Regeln des Volleyball, ausser dass die Spielenden ihre Hände nicht benützen dürfen und einen Fussball verwenden. Entwickelt wurde die Sportart 1965 aus dem Verbot heraus, am Strand Fussball zu spielen. Mittlerweile gibt es einen Footvolley World Cup.
Stadt der guten Mischungen
Auch für den Gaumen ist Rio de Janeiro ein wahrer «melting pot». Man kommt zwar nicht ums allgegenwärtige Öl herum, es lohnt sich aber, die Nase weiter auszustrecken, denn die würzige afroportugiesische Küche wurde von den Immigranten aus dem Libanon, aus Japan, Italien, Spanien und Frankreich im Laufe der Zeit vielfältiger erweitert, als durch die Kunst, eine Fritteuse zu bedienen.
Die meisten der Cariocas beginnen ihren Tag mit einem frischgepressten Saft aus tropischen Früchten. Die Bezeichnung Carioca klingt selbst nach einer tropischen Frucht, bedeutet aber «weisses Haus» in der Sprache der Ureinwohner, welche die ersten portugiesischen Siedler nach deren Behausungen tauften.
Der Name des Nationalgerichtes stammt aus dem Portugiesischen: Der Eintopf Feijoada ist von seiner Hauptzutat, der schwarzen Bohne, «feijão», abgeleitet. Seine ursprüngliche Form setzte sich aus dem zusammen, was den afrikanischen Sklaven zu essen erlaubt war: Bohnen, Kohl, Reis, Maniokmehl und Fleischreste. Im Laufe der Zeit wurde der Eintopf bei der Arbeiterklasse beliebt, heute wird er als aufwändig zubereitete Spezialität in den besten Restaurants serviert. Bis heute ist es ein Bohneneintopf, in den für westliche Gaumen auch Ungewohntes hineinwandert, wie vom Schwein die Ohren, das Schwänzchen oder die Füsse. Wer danach noch nicht satt ist, kann sich als Nachtisch immer noch eine frittierte Banane gönnen. Dann ist der Boden für das Nationalgetränk Caipirinha gelegt und die Energie für die Partynacht geladen. Wer den Carneval do Rio verpasst, kann das Zentrum der Festivitäten, den Sambodromo, trotzdem besuchen. Und keine Sorge: In Brasilien gibt es immer einen Grund zum Feiern. Spätestens am zweiten Abend hat man Einheimische kennengelernt, die einen mit ihrer warmherzigen und fröhlichen Art nach dem dritten Cocktail freimütig zu einem Carioca oder einer Garota de Ipanema ernennen.